Dog & Talk - Auf eine Gassirunde mit Dr. Janey May

Dein Podcast für bedürfnisorientiertes Zusammenleben mit Hund

#134: Wieviel Aufmerksamkeit braucht mein Hund? Kann zu viel Fokus auf meinem Hund ungesund sein?

Ich habe wieder einmal eine Frage aus der Community erhalten: „Kann der Fokus zu sehr auf meinem Hund liegen? Ich mache immer mehr und irgendwie wird alles immer schlimmer.“ Auf diese Frage gibt es keine schnelle und einfache Antwort, darum gehe ich diese Woche in der Podcastfolge etwas differenzierter darauf ein.
Foto von Alexander Grey auf Unsplash

Druck erzeugt Gegendruck
Stell dir vor, jemand fragt dich ständig: „Ist was? Hast du was? Geht es dir gut? Was ist los? Wieso guckst du so?“ Wie würdest du dich fühlen? Wahrscheinlich wäre das sehr anstrengend und würde bei dir mehr Stress erzeugen, als dir zu helfen. Denn Druck erzeugt Gegendruck. Ähnlich geht es auch deinem Hund. Wenn du ständig nach ihm schaust und jede kleinste Bewegung beobachtest, kann das für ihn stressig sein – und für dich selbst letztendlich auch.

Kann dein Hund dir seine Bedürfnisse mitteilen?
Hunde sind erstaunlich gut darin, uns mitzuteilen, wenn sie etwas brauchen. Allerdings müssen wir ihnen auch die Möglichkeit geben, sich zu äußern. Wenn ein Hund weiß, dass er sich mitteilen kann und gehört wird, muss er auch nicht zu stärkeren Maßnahmen greifen, um Aufmerksamkeit zu bekommen. Es ist wichtig, dass du die feinen Signale deines Hundes kennst und weißt, wie du darauf reagieren kannst.

Eine gemeinsame Sprachebene schaffen
Eine gemeinsame Sprachebene hat als Basis, dass dein Hund weiß, dass er sich mitteilen kann und gehört wird. Innerhalb dieser Ebene habt ihr sicherlich unterschiedliche Wege, euch zu verständigen. Überleg doch einfach mal: Wie teilt dein Hund dir mit, dass er Hunger hat, raus muss oder Kontakt braucht? Das ist meist sehr individuell.

Neben der Sicherheit zu wissen, dass er sich auf dich verlassen kann, wenn etwas ist, sollte sich dein Hund zurückziehen können, wenn er das braucht. Ruhephasen sind für Hunde genauso wichtig wie für uns Menschen. Frag dich also auch, ob du Möglichkeiten hast, deinem Hund zu signalisieren, dass du Ruhe brauchst oder gerade nicht für ihn da sein kannst. Eine schöne Möglichkeit dafür ist das Pause Signal. So kann dein Hund kleinschrittig lernen, dass du gerade nicht abrufbar bist und er ebenfalls sein eigenes Ding machen kann.

„Ich mache immer mehr“ – Warum mehr nicht unbedingt besser ist
Mehr zu tun, bedeutet nicht automatisch, dass es besser ist. Es ist wichtig, unterschiedliche Dinge auszuprobieren und zu sehen, was funktioniert. Wenn du allerdings immer wieder etwas veränderst und es keine Verbesserungen bringt, dann ist es vielleicht nicht die richtige Maßnahme oder die Umsetzung muss angepasst werden. Suche dir in dem Fall Expert*innenrat und hole dir Unterstützung, um die Ziele mit deinem Hund zu erreichen.

Verhaltensänderungen benötigen Zeit und Geduld. Ein Hund mit Leinenaggression, der früher eine halbe Stunde gebraucht hat, um wieder herunterzufahren, mittlerweile aber bereits nach fünf Minuten wieder ansprechbar ist, hat massive Fortschritte im Training gemacht. Kleine Teilziele gehören zum Erreichen des Gesamtziels dazu und man sollte sie nicht aus dem Blick verlieren.

Deine Bedürfnisse sind ebenfalls wichtig
Ein Zeichen dafür, dass der Fokus zu sehr auf deinem Hund liegt, ist, wenn du zunehmend wütender auf ihn wirst. Das deutet oft darauf hin, dass deine eigenen Bedürfnisse nicht erfüllt sind. Es ist wichtig, dass sowohl die Bedürfnisse deines Hundes als auch deine eigenen berücksichtigt werden. Ein gesundes Gleichgewicht ist unfassbar wichtig und Teil des bedürfnisorientierten Trainings.

Vertrauen in die Selbstkompetenz des Hundes
Dein Hund sollte die Möglichkeit haben, selbstständig zu handeln und Entscheidungen zu treffen. Übernimm nicht alles für ihn, sondern gib ihm den Raum, selbstwirksam zu sein. Deine Ängste sollten nicht seine sein, trau ihm zu, dass er etwas schaffen kann.

Mach das soziale Miteinander nicht zu einer Professur, bei der du jedes kleinste Detail analysierst. Es ist vollkommen normal, dass dein Hund im Alltag auch mal Stressanzeichen zeigt. Es geht darum, das Gesamtbild im Blick zu behalten und abzuwägen, wie viel Stress dein Hund insgesamt hat und ob Maßnahmen ergriffen werden sollten.


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